Patientengeschichte
Zurück in die Selbstständigkeit nach dem Schlaganfall
Als Heilpraktikerin für Psychotherapie kennt Petra Wertebach ihren Körper sehr gut. Sie spürt jede kleine Veränderung. Als sich im Dezember ihr Kopf plötzlich ganz anders anfühlt und sie meint, dass sie merkwürdig läuft, ahnt die 54-Jährige bereits, was los ist. Ein Schlaganfall!
Bereits vor sieben Jahren erlitt sie ihren ersten Schlaganfall. Und jetzt fühlte es sich wieder an, als wenn die Gehirnhälften auseinanderdriften, nicht mehr miteinander kommunizieren würden. „Erst wurde mein rechter Arm schwer, dann bekam ich kein vernünftiges Wort mehr aus dem Mund. Als ich im Krankenhaus war, spürte ich ein Bein schon nicht mehr“, erzählt Petra Wertebach rückblickend. Sofort erhält sie eine Lysetherapie, um die Blutgerinnsel aufzulösen.
Neun Tage bleibt die Neuwiederin im Krankenhaus. „Dann musste ich die Klinik verlassen. Dieses Mal wollte ich unbedingt anschließend eine Reha machen“, sagt sie. Nach ihrem ersten Schlaganfall hatte sie keine Reha erhalten und das ist ihr im Nachhinein nicht gut bekommen. „Ich bin viel zu schnell wieder arbeiten gegangen und habe einen mentalen Schock erlitten. Im Grunde brauchte ich zwei Jahre, um wieder richtig fit zu sein.“ Das wollte Petra Wertebach nicht wieder erleben. Sie stand vor der Wahl: mache ich eine stationäre oder eine ambulante Reha? Für Petra Wertebach stand schnell fest, dass sie ambulant behandelt werden wollte. „Mir war es wichtig, dass individuell auf meine Bedürfnisse eingegangen wird.“
Im Therapie-Zentrum Koblenz fand sie diese auf ihre Situation zugeschnittene Rehabilitation. „Für uns stehen der Patient und seine Kontext-Faktoren im Mittelpunkt“, erklärt Dr. med. Bernhard Kügelgen, der Leitende Arzt des Therapie-Zentrums Koblenz. „Das sind alle Lebensumstände des einzelnen Rehabilitanden, also die Gesamtheit der individuellen Lebensbedingungen, zum Beispiel die Beschaffenheit der Wohnung, häusliche Umgebung oder vieles andere mehr.“ Die Wünsche der Patienten sind für das Therapiezentrum Koblenz maßgeblich, aber auch sehr unterschiedlich.
So macht es keinen Sinn, einen älteren Menschen auf eine Gehstrecke von drei Kilometer zu trainieren, wenn sein sehnlichster Wunsch ist, seine Enkelkinder in die Arme schließen zu können oder einmal mit ihnen für kurze Zeit im Garten Fußball zu spielen.
Petra Wertebachs Wunsch war es, wieder im beruflichen Alltag bestehen zu können. Sie begann ihre Reha gleich am 2. Januar. Fünf Wochen lang trainierte sie von acht Uhr morgens bis 16.30 Uhr. „Das war ganz schön anstrengend. Abends war ich richtig kaputt. Aber es war gut. Es war sehr strukturiert und wie ein Arbeitsalltag aufgebaut.“ Petra Wertebachs Feinmotorik war nur noch zu 10 Prozent vorhanden. Sie musste zunächst ganz langsam Kleinigkeiten erlernen. Dazu gehörte auch das Erlernen von Brotschmieren, aber auch das Finden der eigenen Mitte. „Ein ganz wichtiger Aspekt, denn Schlaganfallpatienten müssen wieder selbstständig und sicher durchs Leben gehen können“, so Dr. Kügelgen.
Die fünf Wochen Therapie waren sehr erfolgreich. Wer Petra Wertebach heute begegnet, bemerkt nicht, dass sie erst vor kurzem einen Schlaganfall hatte. Sie spricht flüssig, geht ohne Schwierigkeiten. Die eine oder andere Bewegung macht sie vorsichtiger, aber das fällt kaum auf. Die Heilpraktikerin ist wieder im Alltag angekommen und kann sich jetzt auf ihren Berufsalltag konzentrieren.
Wieder am Alltag und insbesondere am Berufsalltag teilhaben zu können, ist für Dr. Kügelgen das Ziel einer jeden Rehabilitation. „Wir schauen uns deshalb auch den Arbeitsplatz des Rehabilitanden genau an. Was kann man dort optimieren? Oder im Haushalt. Muss der Patient täglich Treppen steigen, um in seine Wohnung zu kommen, dann werden wir ihn nicht Aufzug fahren lassen, sondern Treppensteigen üben.“ Mitglieder des Rehabilitationsteams fahren nach Hause, an den Arbeitsplatz oder informieren sich über den Weg zum Arbeitsplatz mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
Es müssen alle Probleme des Alltags mit einbezogen werden. Und das kann eine wohnortnahe ambulante Reha besser bewerkstelligen als ein stationäre Reha, die in der Regel wohnortfern ist.
„Das Schlimmste, was passieren kann, ist, wenn ein 70-jähriger Patient, dem es während der Reha gut ging, wieder allein nach Hause kommt und nicht zurechtkommt. Dann dauert es nicht lange und er kommt in ein Pflegeheim. Das kann es nicht sein. Eine Reha darf nicht zum Abschied der Selbstständigkeit führen, sie soll nachhaltig sein und zur Wiedereingliederung führen.“
Text: Petra Dettmer
Foto: Therapiezentrum Koblenz